Jetzt bin ich tatsächlich schon zwei Wochen hier – oder erst? Es fühlt sich einerseits an, als ob die Zeit verfliegt, andererseits gibt es so viele neue Eindrücke und Erlebnisse, dass es mir schon vorkommt, als wär ich viel länger in Tschita.
Ich habe jetzt alle meine Studierenden kennengelernt: Drei Gruppen sind es, das dritte und vierte Studienjahr mit Hauptfach Deutsch und eine Gruppe im dritten Jahr mit Nebenfach Deutsch. In jeder Gruppe sind ungefähr 8 Studierende – Deutsch ist nicht unbedingt beliebt. Es ist eigentlich sogar so, dass der Lehrstuhl ein bisschen ums Überleben kämpfen muss. Französisch wurde vor ein paar Jahren schon abgeschafft. Nun ja, ich tue, was ich kann, um das Deutschlernen cool und attraktiv zu gestalten 😉 An der Uni ist hier vieles sehr verschult und so sind die Studierenden in festen Klassen organisiert, die eigentlich alles zusammen machen und auswählen kann man, soweit ich das verstanden habe, eigentlich auch nichts. Zwei Gruppen werden auch noch von meinen Kolleginnen in „Praktisches Deutsch“ unterrichtet, eine habe ich allein. So viel Verantwortung! 🙂 Ich bin immer noch dabei, mich an meine neue Rolle als Lehrerin zu gewöhnen, ich brauch noch sehr viel Zeit zur Vorbereitung und jede Stunde ist aufs Neue aufregend und mit viel Ungewissheit verbunden, aber ich bin zuversichtlich, dass sich das in einem Monat oder zweien alles schön eingependelt hat. Meine Studierenden und Kolleginnen sind auf jeden Fall alle sehr lieb. Von Irina bekomme ich auch Russischunterricht und mit Natalya, die auch bei mir im Wohnheim wohnt, gehe ich ab und zu laufen. Demnächst stell ich sie mal ausführlicher vor!
Neben dem Unterrichten biete ich noch zwei Mal pro Woche einen Deutsch-Stammtisch an, für Einsteiger und für Fortgeschrittene. Zu den ersten Terminen letzte Woche kamen sechs bzw. fünf Leute, das hat mich echt gefreut, weil ich eigentlich eher erwartet habe, mit zwei oder drei Leuten dazusitzen. Für die nächsten Wochen wollte ich mir dann mal ein paar Aktivitäten überlegen, kochen zum Beispiel oder Filmabende. Und darüber hinaus fang ich kommende Woche auch noch an, an einer Schule zu unterrichten. Ich soll dort die Schüler_innen der 9. bzw. 11. Klasse auf ihre bevorstehenden Deutsch-Prüfungen vom Goethe-Institut vorbereiten. Hallelujah! Ich bin gespannt, wie es mit denen wird, da muss ich dann vielleicht auch mal die Peitsche rausholen, wenn 14 pubertierende Neuntklässler_innen vor mir sitzen 🙂
Langweilig wird es mir auf jeden Fall nicht, auch wenn man in der Stadt sonst nicht so viel machen kann – außer natürlich, sich mit netten Leuten zu treffen. Es gibt eigentlich nur eine Kneipe, die mir von allen genannt wird, wenn ich frage, wo man hier so hingehen kann. Dort war ich nun auch schon mehrfach und bin doch sehr erstaunt darüber, dass das Bier teurer ist als in Berlin! Es ist allerdings auch alles Importbier, denn es handelt sich um ein Irish Pub. Dennoch – umgerechnet 4-6 Euro für ein Bier ist ganz schön happig und ich verstehe auch, warum die meisten Leute sagen, dass sie wenig bis gar nicht ausgehen – was natürlich nicht heißt, dass sich nicht zu feiern wissen 🙂 Mit meinem Russisch komme ich mittlerweile auch schon ziemlich gut durch – das hab ich vor drei Wochen noch nicht im Traum gedacht. Mit ein bisschen Hilfe von Google Translate (Smartphone ahoi!) kann ich längere Gespräche führen, die über Smalltalk weit hinaus reichen. Dass es dabei ab und zu zu Missverständnissen kommt, bleibt natürlich nicht aus 🙂
Neben dem Booze ist auch das Essen hier – besonders natürlich Obst und Gemüse – wirklich nicht billig, mal abgesehen von den Grundnahrungsmitteln. Wer keine Datscha hat und Gemüse anbaut, der muss schon recht tief in die Tasche greifen, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Löhne hier im Durchschnitt vielleicht 500 Euro im Monat oder weniger betragen. Und die Qualität ist häufig auch jenseits von hervorragend. Aber nun gut – eto Rossija (Das ist Russland). Ab und zu schenken mir meine Kolleginnen Tomaten und Eingewecktes von der Datscha, so wird mir auch ein bisschen mit Liebe gezogenes Gemüse zuteil. Die Auswahl ist auch wirklich ein bisschen traurig. Selbst ein großer Supermarkt hat eine Gemüseabteilung, die aus einem drei Meter langen Regal besteht. Frischen Salat, Broccoli oder Champignons hab ich hier noch überhaupt nicht gesehen, eigentlich gibt es vor allem Tomaten, Gurken und Paprika – von Kartoffeln und Kohl natürlich abgesehen! Interessant ist, dass die Avocados, auf die ich gehofft hatte, um was Veganes aufs Brot zu haben, gerade von der EU sanktioniert werden, weshalb sie hier überhaupt nicht mehr zu bekommen sind. Also – Avocadoschmuggel könnte ein interessantes Geschäft werden, schließlich lieben die Leute hier auch Sushi.
Kommen wir jetzt aber doch mal zu ein paar Photos, schließlich bin ich auch schon in den Genuss von zwei Ausflügen in die Umgebung gekommen, die gerade mit ihren tollen Herbstfarben gelockt hat. Leider ist dieses farbenfrohe Geschehen nun schon fast vorbei – die sibirischen Jahreszeiten sind eben schnelllebig, bis auf den Winter natürlich.
So long…. Пока, Фрида